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Die Bundesbank


Letzte redaktionelle Bearbeitung :   09.10.1999
Stand der inhaltlichen Bearbeitung :   April 1996
Quelle :   AmigaGadget#24

In Zeiten der Rezession ist sie der Sündenbock, in guten Zeiten erfreut sie sich als Hüterin der Geldwertstabilität eines hervorragenden Rufes und ihr Präsident genießt in Wirtschaftsfragen oftmals ein höheres Ansehen als führende Politiker. Die Rede ist von der Bundesbank, der deutschen Noten- und Währungsbank. Ganz Wirtschaftsdeutschland schaut mehr oder weniger gespannt auf die Sitzungen ihres Zentralbankrates und auch dem benachbarten Ausland ist es nicht egal, wenn durch dessen Beschluß die sogenannten Leitzinsen erhöht oder gesenkt werden. Im folgenden soll versucht werden, die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen, unter denen die Bundesbank arbeiten muß und die volkswirtschaftlichen Mechanismen, derer sie sich bedienen kann, kurz und einführend zu erläutern.


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I. Geschichte der Deutschen Bundesbank

Schon im Deutschen Reich und der Weimarer Republik bestand mit der 1875 gegründeten Reichsbank so etwas wie eine deutsche Zentralbank. Ihre Funktion wurde nicht durch Bestimmungen der Reichsverfassung von 1871 sondern ausschließlich durch einfaches Gesetzesrecht geregelt. Sie bestand als aktiver Akteur der Wirtschaftspolitik bis 1945 fort - seit 1939 freilich "nach den Weisungen und unter der Aufsicht des Führers" (§ 3 des Gesetzes über die Deutsche Reichsbank) - und wurde erst 1961 offiziell aufgelöst. Nach Kriegsende entstanden in den einzelnen Bundesländern Landeszentralbanken, die 1948 durch Besatzungsvorschrift in der Körperschaft der "Bank deutscher Länder" zusammengefaßt wurden. Sie hatte u.a. das Recht, Banknoten und Münzen auszugeben. Das 1949 in Kraft getretene Grundgesetz normierte in seinem Artikel 88 dann:

        Der Bund errichtet eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank.
       

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Dessen ungeachtet bestand bis 1957 die Bank deutscher Länder fort. 1950 ging jedoch per Gesetz über die Ausprägung von Scheidemünzen das Recht zur Münzausgabe (bis 30 DM pro Kopf der Bevölkerung) auf den Bund über. Erst 1957 wurde dann ein Bundesgesetz über die Deutsche Bundesbank verabschiedet, das schließlich am 26.7. des Jahres in Kraft trat.


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II. Die Organisation der Bundesbank

Die Bundesbank ist Bundesbehörde und eine Anstalt des öffentlichen Rechtes. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main und in den insgesamt neun Landeszentralbanken ihre Hauptverwaltungsstellen. Dabei ist je eine Landeszentralbank zuständig für

  • Baden-Württemberg
  • Bayern
  • Hessen
  • Nordrhein-Westfalen
  • Berlin/Brandenburg
  • Bremen/Niedersachsen/Sachsen-Anhalt
  • Hamburg/Mecklenburg-Vorpommern/Schleswig-Holstein
  • Rheinland-Pfalz/Saarland
  • Sachsen/Thüringen

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Die Landeszentralbanken dienen hauptsächlich der Abwicklung der Geschäfte mit den einzelnen Bundesländern, deren Verwaltungen und ihren Kreditinstituten. Neben ihnen darf die Deutsche Bundesbank auch noch Zweiganstalten einrichten, wobei hier noch zwischen Hauptstellen und Zweigstellen unterschieden wird. Der Direktor einer Zweigstelle untersteht dabei der übergeordneten Hauptstelle, deren zwei Direktoren wiederum der zuständigen Landesbank unterstehen.

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Für die juristische Person Bundesbank handeln ihre Organe, nämlich

  • die Vorstände der Landeszentralbanken
  • das Direktorium
  • der Zentralbankrat

Der Öffentlichkeit dürfte dabei der Zentralbankrat am bekanntesten sein, für das Verständnis der Arbeitsweise der Bundesbank muß jedoch die Funktion und Zusammensetzung jedes dieser Organe näher erläutert werden.


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1. Die Vorstände der Landeszentralbanken

Sie bestehen aus dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten, sowie je nach Größe des betreuten Gebietes und Satzung der Landeszentralbank aus bis zu drei weiteren Vorstandsmitgliedern. Für alle Mitglieder des Vorstandes ist gesetzlich eine "besondere fachliche Eignung" angeordnet. Der Präsident wird vom Bundesrat, de facto von den entsprechenden Landesregierungen, nach Anhörung des Zentralbankrates vorgeschlagen und vom Bundespräsidenten ernannt. Die weiteren Mitglieder des Vorstandes werden auf Vorschlag des Zentralbankrates vom Präsidenten der Bundesbank ernannt. Die Amtsperiode beträgt mindestens zwei, im Regelfall aber acht Jahre.

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Der Vorstand einer Landeszentralbank wird darüber hinaus bei der Durchführung seiner Aufgaben von einem Beirat beraten. Dieser besteht aus maximal vierzehn Personen, die ebenfalls fachkundig sein müssen, und die auf Vorschlag der jeweiligen Landesregierung(en) nach Anhörung des Vorstandes der Landeszentralbank vom Bundesbankpräsidenten für die Dauer von drei Jahren ernannt werden. An den Sitzungen des Beirates, dem der Präsident oder der Vizepräsident der Landeszentralbank vorsitzt, können die zuständigen Landesminister teilnehmen.


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2. Das Direktorium

Sind die Landeszentralbanken das föderale Element der Bundesbank, ist das Direktorium das zentralistische Element. Es ist für die Durchführung der Zentralbankratsbeschlüsse verantwortlich und leitet und verwaltet die Bundesbank auf all den Gebieten, die nicht in den Verantwortungsbereich der Landeszentralbanken fallen. Damit wickelt es insbesondere auch die Geschäfte mit dem Bund, dem Ausland und dem offenen Markt ab und gibt die Banknoten für das Bundesgebiet heraus. Zur Erfüllung seiner Aufgaben ist ihm eine personell stark besetzte (1992: ca. 3000 Mitarbeiter) zentrale Dienststelle zugeordnet.

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Es besteht aus dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank und bis zu sechs weiteren Mitgliedern. Hinsichtlich der fachlichen Eignung und der Dauer der Amtszeit gilt für die Direktoren dasselbe wie für die Vorstandsmitglieder der Landeszentralbanken. Ein wichtiger Unterschied liegt jedoch in der Art und Weise der Ernennung. Auch hier schlägt die Abgrenzung zum eher föderalistischen Charakter der Landeszentralbanken durch: die Mitglieder des Direktoriums (einschließlich der beiden Präsidenten) werden nach Anhörung des Zentralbankrates von der Bundesregierung vorgeschlagen und dann vom Bundespräsidenten ernannt.

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Den Beratungen des Direktoriums sitzt entweder der Präsident oder der Vizepräsident der Bundesbank vor. Beschlüsse werden grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefällt, wobei bei Stimmgleichheit die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag gibt. Nur in besonderen Fällen kann die Satzung das Erfordernis der Einstimmigkeit oder einer anderen Stimmenmehrheit (etwa qualifizierte 2/3-Mehrheit) anordnen.


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3. Der Zentralbankrat

Er ist das in wirtschaftspolitischen Fragen für die Bundesbank entscheidende Gremium, stellt die verwaltungsinternen Richtlinien auf und kann dem Direktorium und den Vorständen der Landeszentralbanken in Einzelfällen Weisungen erteilen.

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Personell zusammengesetzt ist der Zentralbankrat aus den Mitgliedern des Direktoriums, also auch dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der Bundesbank, und den Präsidenten der Landeszentralbanken, also aus maximal 17 Personen. Er tagt etwa alle vierzehn Tage und faßt seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wobei hier der Stimme des Präsidenten ebenfalls nur einfaches Gewicht zukommt. Ähnlich wie Landesminister bei Beiratssitzungen haben Mitglieder der Bundesregierung das Recht, an den Sitzungen des Zentralbankrates teilzunehmen. Ein Stimmrecht kommt ihnen jedoch auch nicht zu.


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III. Die rechtliche und politische Stellung der Bundesbank

Die Verfassungsbestimmung selbst enthält kaum konkrete Hinweise zum rechtlichen Charakter und zu den Aufgaben der Bundesbank. Die Bundesbank ist mithin kein oberstes Bundesorgan und ihre Unabhängigkeit kein direktes Verfassungsgebot. Indem der Bund die Gesetzgebungskompetenz für das "Währungs-, Geld- und Münzwesen" und für das "Bank- und Börsenwesen" besitzt, stand es letztlich der Bundespolitik fast völlig frei, die Bundesbank nach eigenen Vorstellungen auszugestalten. Dies hat sie dann mit dem oben erwähnten Bundesbankgesetz von 1957 auch getan und dabei aus den Entwicklungen der Vergangenheit die Lehre gezogen, daß eine Währungs- und Notenbank nicht vollständig von der Bundesregierung abhängig sein darf, soll nicht die Gefahr des Mißbrauchs als "Notenpresse" und damit der Anheizung der Inflation bestehen. Darüber hinaus wollte man sie auf die Aufgabe der Wahrung der Geldwertstabilität verpflichten. Im Gesetz über die Deutsche Bundesbank haben sich diese Überlegungen in den Paragraphen 3 und 12 niedergeschlagen:

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§ 3

Die Deutsche Bundesbank regelt mit Hilfe der währungspolitischen Befugnisse, die ihr nach diesem Gesetz zustehen, den Geldumlauf und die Kreditversorgung der Wirtschaft mit dem Ziel, die Währung zu sichern, und sorgt für die bankmässige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland und mit dem Ausland.

[...]

§ 12

Die Deutsche Bundesbank ist verpflichtet, unter Wahrung ihrer Aufgabe die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen. Sie ist bei der Ausübung der Befugnisse, die ihr nach diesem Gesetz zustehen, von Weisungen der Bundesregierung unabhängig.

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Diese besondere Stellung der Deutschen Bundesbank ist nicht ganz unbedenklich, scheint sie doch fast zu einer Art "Nebenregierung" im Bereich der Währungspolitik zu erstarken, die in diesem Gebiet darüber hinaus auch nicht den Weisungen der parlamentarisch legitimierten Bundesregierung Folge leisten muß. Bedenken ergeben sich auch aus wirtschaftspolitischer Sicht, insofern die Bundesbank unabhängig die Währung - und damit den Geldwert - "sichern" soll, die Bundespolitik jedoch möglicherweise andere Ziele, wie die Versorgung des Marktes mit Kaufkraft, wovon sie sich eine Förderung der Konjunktur verspricht und die damit verbundene Inflation zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in Kauf nimmt, verfolgt. Diese Zieldivergenzen können dazu führen, daß Bundesregierung und Bundesbank die gegenseitige Politik torpedieren und daraus erheblicher volkswirtschaftlicher Schaden entsteht.

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Zumindest rechtlich bereitet die Unabhängigkeit der Bundesbank jedoch keine großen Probleme. Letztlich zieht sie ihre Legitimation und ihre Aufgaben ja aus dem Bundesbankgesetz und unterliegt somit schon in ihrer generellen Ausgestaltung gewissermaßen der parlamentarischen Kontrolle. Mit dieser Einflußmöglichkeit hat es für den Bundestag jedoch auch schon sein Bewenden, weitergehende Kontrolle kann er auf die Bundesbank nicht ausüben.

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Ebenfalls vorhanden sind gewisse Abhängigkeiten im Verhältnis zur Bundesregierung. So ist die Bundesbank natürlich verpflichtet, von der Regierung erlassene Rechtsverordnungen zu befolgen. Und durch die Schlüsselstellung der Bundesregierung bei der Ernennung der Direktoriumsmitglieder ist auch ein gewisser personeller Einfluß gewahrt. Die wichtigste Abhängigkeit besteht jedoch in der beiderseitigen Pflicht zur Zusammenarbeit. Hier muß die Bundesbank die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung unterstützen, ist jedoch auch dabei an die ihr zustehende Aufgabe der Währungsstabilität gebunden.

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Daß dieses Spannungsverhältnis letztlich auch wirtschaftspolitisch akzeptabel ist, ergibt sich aus dem sogenannten "Stabilitätsgesetz", das als zwei der Aufgaben des "Magischen Vierecks" der Wirtschaftspolitik die Sicherung der Stabilität des Preisniveaus und eines hohen Beschäftigungsstandes normiert und damit ebenfalls die Politik verpflichtet, beide oftmals doch eher konträren Ziele bei ihren Entscheidungen im Auge zu behalten. Problematisch wird diese Zieldivergenz - und damit auch das Verhältnis von Bundesregierung und Bundesbank - erst in Zeiten der "Stagflation", also einer Kombination aus konjunktureller Stagnation (Nullwachstum) und steigender Inflation. In der Realität kam es so auch schon einige Mal zu Konflikten zwischen den beiden "Kapitänen" der Wirtschaftspolitik: so etwa in den Rezessionsphasen Ende der Sechziger und Anfang der Achtziger. Und auch beim sogenannten "Ölpreisschock" von 1973 spielte die Bundesbank eine Rolle, für die sie in der Folge kritisiert wurde. Die Geldmenge expandierte zu Beginn des Jahres sehr stark, woraufhin die Bundesbank eine drastische Liquiditätsverringerung bei den Geschäftsbanken veranlaßte. Im Verein mit der deutlichen Anhebung des Ölpreises durch die OPEC-Staaten und einer aggressiven Lohnpolitik der Gewerkschaften blieb so der Wirtschaft quasi die "Luft" weg, der begonnene Aufschwung wurde abgewürgt. Aber im großen und ganzen funktionierte und funktioniert das wirtschaftspolitische Zusammenspiel zwischen Bundesbank und Bundesregierung recht geräuschlos und reibungsfrei.


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IV. Das volkswirtschaftliche Instrumentarium der Bundesbank

Um das Instrumentarium der Bundesbank verstehen zu können, muß man sich zumindest eine grobe Vorstellung von der Funktionsweise der Geldversorgung einer Volkswirtschaft machen können. Das geht am besten, wenn man sich die Wechselbeziehungen der einzelnen Akteure skizzenartig vor Augen hält:

Bundesbank -- Geschäftsbanken -- Nichtbanken

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Unter den Nichtbanken sind alle privaten und öffentlichen Haushalte sowie die Unternehmen zu verstehen. Die Nichtbanken legen ihr gespartes Geld zu verschiedensten Konditionen bei den Geschäftsbanken an. Benötigen sie mehr Geld, als sie besitzen, nehmen sie von den Geschäftsbanken Kredite auf, was insbesondere mit Blick auf die zumeist über Kredite finanzierte Investitionstätigkeit der Unternehmen von Bedeutung ist. Die Geschäftsbanken wiederum sind auf das Bargeld angewiesen, das auszugeben laut Bundesbankgesetz nur die Bundesbank (mit der Ausnahme der Münzen, die von der Bundesregierung ausgegeben werden) berechtigt ist. Dieses gesamte Bargeld, ob es nun in den Kassen der Nichtbanken (nicht der Geschäftsbanken!) oder als sogenannte Mindestreservesätze (dazu später) der Geschäftsbanken bei der Bundesbank liegt, nennt man "Zentralbankgeldmenge". Selbstverständlich können die Geschäftsbanken benötigtes Zentralbankgeld auch von anderen Geschäftsbanken, die momentan über einen nicht benötigten Überschuß verfügen, erhalten. Dies geschieht natürlich nicht unentgeltlich: die Zentralbankgeld vergebenden Geschäftsbanken nehmen dafür Zinsen. Diese Zinsen des Geldmarktes stehen wiederum in "Konkurrenz" mit den Zinsen, die die Bundesbank den Geschäftsbanken bei der Schöpfung neuen Zentralbankgeldes berechnet: sind die Geldmarktzinsen gleich den Bundesbankzinsen, gibt es für die Geschäftsbanken keinen Grund mehr, sich notwendiges Zentralbankgeld von anderen Geschäftsbanken zu beschaffen. Deshalb werden die Geldmarktzinsen in der Regel etwas unter denen der Bundesbank liegen und bei Änderung der Bundesbankzinsen ebenfalls durch eine Veränderung in dieselbe Richtung reagieren (hebt die Bundesbank die Kosten an, zu denen man bei ihr Zentralbankgeld erhalten kann, bietet sich auch auf dem Geldmarkt die Chance einer Zinserhöhung, da die "Konkurrenz" der Bundesbank teurer geworden ist).

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Diese Veränderung der Zinssätze für die Beschaffung von Zentralbankgeld schlägt sich auch im Verhältnis zwischen Geschäftsbanken und Nichtbanken nieder. Sind die Zinsen auf dem Geldmarkt hoch, werden die Geschäftsbanken einerseits versuchen, das benötigte Zentralbankgeld von den Nichtbanken zu bekommen. Das funktioniert über eine Anhebung der Guthabenzinsen, die den Sparwillen der Nichtbanken - und somit ihre Bereitschaft, Zentralbankgeld bei den Geschäftsbanken einzulagern - erhöht. Auf der anderen Seite werden die Geschäftsbanken die höheren Preise, die ihnen bei der Beschaffung von Zentralbankgeld entstehen, über höhere Kreditzinsen an die Geschäftskunden weitergeben. Vergünstig die Bundesbank die Konditionen, zu denen die Geschäftsbanken bei ihr Zentralbankgeld bekommen können, werden in der Regel auch die Zinsen auf dem Geldmarkt und in deren Gefolge die Spar- und die Kreditzinsen für Nichtbanken sinken. Somit beeinflußt die Bundesbank indirekt das der Wirtschaft zur Verfügung stehende Geldvolumen. Dabei gibt sie zu Jahresbeginn die angestrebte Zunahme der Geldmenge (bis 1988 der Zentralbankgeldmenge, danach der Geldmenge "M3", das ist die Summe von Bargeld, Sicht-, Termin- und Sparguthaben der Nichtbanken) bekannt - früher als exaktes Wachstumsziel, seit 1979 als "Zielkorridor" innerhalb dessen sie sich der Konjunktur angepaßte Steuerungsoptionen vorbehält. Natürlich wirkt das Handeln der Bundesbank nur als einer von vielen Faktoren auf die Konjunktur - hier spielt auch viel Psychologie auf Seiten der Nichtbanken eine gewichtige Rolle, wie etwa die Einschätzung der Konjunkturlage (lieber sparen - weil höhere Zinsen zu erwarten sind - oder investieren - weil die Unternehmensrendite höher sein wird als die Guthabenzinsen ?) oder der zu erwartenden Inflation. Um so wichtiger ist es, daß die Bundesbank die ihr zur Verfügung stehenden Mittel sinnvoll aufeinander abgestimmt einsetzt.


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1. Die Diskontpolitik

Um an Zentralbankgeld zu kommen, besteht für die Geschäftsbanken die Möglichkeit, Wechsel bei der Bundesbank zu rediskontieren. Ein Wechsel ist ein Zahlungsversprechen, das als Zahlungsmittel in Handelsgeschäften verwendet wird - quasi eine Art Privatkredit unter Nichtbanken. Benötigt nun ein Wechselnehmer, also ein Geschäftsmann, der einen Wechsel angenommen hat, Bargeld, kann er den Wechsel bei einer Geschäftsbank diskontieren, d.h. in Geld umwandeln. Man spricht vom Diskontieren des Wechsels. Damit sich das Geschäft für die Bank lohnt, zieht sie von der im Wechsel versprochenen Zahlungssumme einen gewissen Prozentsatz ab, so daß diese Summe nach der Einlösung des Wechsels durch die Bank ihren Gewinn darstellt. Benötigt die Bank nun vor Fälligkeit des Wechsels selbst zusätzliche Liquidität, kann sie den Wechsel bei der Bundesbank rediskontieren. Und auch die Bundesbank erhebt auf die Wechselsumme einen gewissen Zinssatz, den sogenannten Diskontsatz (richtiger wäre "Rediskontsatz"). Diese Kosten für die Geschäftsbanken geben diese natürlich über ihre Diskontierungszinsen an die Nichtbanken in gewissem Umfang weiter. Ist der Diskontzins der Bundesbank niedrig, ist die Beschaffung zusätzlicher Liquidität billig und die Wirtschaft wird sich so leicht Bargeld beschaffen können. Ist der Zins hoch, ist auch die Liquiditätsbeschaffung teuer, das Wachstum der Geldmenge wird gebremst. Doch nicht nur der Zinssatz (der jedoch in der öffentlichen Diskussion als "Leitzins" die größte Aufmerksamkeit erfährt) ist Ausfluß der Diskontpolitik der Bundesbank. Sie legt vielmehr darüber hinaus für die einzelnen Geschäftsbanken bestimmte Rediskontkontingente fest, bestimmt also, bis zu welcher Summe sich eine Geschäftsbank bei der Bundesbank Liquidität durch Wechselrediskontierung beschaffen kann. Auch über die Veränderung der in den "Geschäftskonditionen" festgelegten Mindestanforderungen hinsichtlich der Qualität der Wechsel (sprich: der Anforderungen an die Bonität der zahlungsversprechenden Nichtbanken) kann die Bundesbank die Fähigkeit der Geschäftsbanken, sich über Rediskontierungen Liquidität zu verschaffen, beeinflussen.


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2. Die Lombardpolitik

Wenn das Diskontgeschäft die Regel der Refinanzierung der Geschäftsbanken ist, ist der Lombardkredit die Ausnahme. Bei ihm verpfänden die Geschäftsbanken gewisse Wertpapiere und Schuldbuchforderungen bei der Bundesbank und erhalten dafür Zentralbankgeld. Der Preis dafür wird im Lombardsatz ausgedrückt, der traditionell etwas über dem Diskontsatz liegt. Die Mechanismen der Lombardpolitik funktionieren dabei ähnlich wie bei der Diskontpolitik - ein hoher Lombardsatz verringert tendenziell das Kreditvolumen der Geschäftsbanken und bremst somit das Wachstum der Geldmenge. Ein niedriger Lombardsatz wirkt entgegengesetzt. Lombardkredite sind im Gegensatz zu den Diskontgeschäften nicht kontingentiert, wobei dies jedoch in der Vergangenheit teilweise auch praktiziert wurde. Die Lombardpolitik faßt man mit der Diskontpolitik unter dem Oberbegriff der "Refinanzierungspolitik" zusammen. Diese beiden Mechanismen bestimmen, wie sich die Geschäftsbanken (aktiv) bei der Bundesbank Liquidität beschaffen können.


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3. Die Mindestreservepolitik

Wie oben schon kurz angedeutet, sind die Geschäftsbanken dazu verpflichtet, einen gewissen Prozentsatz ihrer Verbindlichkeiten, die sogenannte Mindestreserve, als zinsloses Guthaben bei der Bundesbank zu unterhalten. Der genaue Anteil ihrer Verbindlichkeiten, der Mindestreservesatz, den die Geschäftsbanken bei der Deutschen Bundesbank hinterlegen müssen, ist gesetzlich nur bis zu einem bestimmten Höchstsatz zulässig. Für Sichtverbindlichkeiten (also Guthaben, über die die Kunden der Geschäftsbanken "auf Sicht", sprich: sofort, verfügen können) beträgt er 30%, für Terminverbindlichkeiten (für eine vereinbarte Frist bei den Geschäftsbanken angelegte Einlagen) 20% und für Spareinlagen 10%. Der Unterschied ergibt sich aus dem Grad der Verfügbarkeit der Gelder für die Bankkunden - je kurzfristiger die Geschäftsbanken zur Auszahlung verpflichtet sein könnten, desto höher sind die von der Bundesbank festlegbaren Mindestreservesätze. Für Bankverbindlichkeiten gegenüber Ausländern gelten die Höchstreservesätze übrigens nicht, hier kann die Bundesbank von den Geschäftsbanken Mindestreservesätze von bis zu 100% verlangen. Die Mindestreserven müssen von den Geschäftsbanken nicht Tag für Tag sondern nur im Monatsdurchschnitt auf dem geforderten Niveau gehalten werden, so daß kurzfristige Liquiditätsschwankungen für die Geschäftsbanken nicht zu erheblichen Problemen führen.

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Während die Refinanzierungspolitik eher darauf abzielt, die Möglichkeiten der Geschäftsbanken, sich Zentralbankgeld zu beschaffen, zu beeinflussen, ist der Ansatzpunkt bei der Mindestreservepolitik die Geldschöpfung durch die Banken. Erhöht die Bundesbank die Mindestreservesätze, so müssen die Geschäftsbanken ihre unverzinslichen Bundesbankguthaben aufstocken und sind daher weniger in der Lage, Kredit an Nichtbanken zu vergeben. Senkt die Bundesbank die Reservesätze hingegen, wird die Kreditvergabefähigkeit erhöht, der Wirtschaft Geld zugeführt. Ein weiterer Aspekt der Mindestreservepolitik betrifft den Bedarf der Geschäftsbanken an Zentralbankgeld. Während der Anteil des Bargeldes am gesamten Geldvolumen zugunsten des Buchgeldes tendenziell abnimmt, kann die Bundesbank über die vom Buchgeld gerade prozentual abhängigen Mindestreservesätze eine Abhängigkeit der Geschäftsbanken von weiterem Zentralbankgeld schaffen, bzw. auch verringern.


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4. Die Offenmarktpolitik

Bei der Offenmarktpolitik kauft und verkauft die Bundesbank Wertpapiere auf dem "offenen" (=freien) Markt. Dabei handelt sie einmal mit den Geschäftsbanken, so daß sich beim Ankauf von Wertpapieren durch die Bundesbank der Zentralbankgeldbestand der Geschäftsbanken und somit deren Fähigkeit, Kredite zu vergeben, erhöht. Verkauft sie den Geschäftsbanken hingegen Wertpapiere (was durch Festlegung eines günstigen Preises für die angebotenen Papiere erreicht wird), so verringert sich deren Bestand an Zentralbankgeld, die Kreditvergabe und damit die Geldschöpfung wird gebremst. Auch mit Nichtbanken kann die Bundesbank Offenmarktgeschäfte betreiben. Diesen fließt dann (bei Ankauf von Wertpapieren durch die Bundesbank) entweder direkt Zentralbankgeld zu, so daß die der Wirtschaft zur Verfügung stehende Geldmenge wächst, oder das Zentralbankgeld fließt zurück zur Bundesbank (bei Verkauf von Wertpapieren durch die Deutsche Bundesbank), so daß die Liquidität der Wirtschaft sinkt.

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Zu unterscheiden ist im übrigen zwischen dem endgültigen An- und Verkauf von Wertpapieren durch die Bundesbank und den sogenannten Pensionsgeschäften. Bei ersterem besteht die Gefahr, daß sich der Bund so Geld zur Stopfung von Haushaltsdefiziten beschaffen will und dabei wirtschaftspolitische Ziele aus dem Auge verloren werden. Auch können durch den An- und Verkauf von Wertpapieren durch die Bundesbank die Wertpapierkurse durcheinander gebracht werden. Dies ist bei den Pensionsgeschäften nicht der Fall. Bei ihnen kauft die Bundesbank die Wertpapiere nur für eine bestimmte Zeit, stellt dem Käufer (in der Regel einer Geschäftsbank) somit nur zeitweilig Zentralbankgeld zur Verfügung. Insgesamt ist die Offenmarktpolitik also ein ausdifferenziertes und prinzipiell auch effizientes Werkzeug zur Beeinflussung des Geldmarktes, welches natürlich etwas darunter leidet, daß seine Auswirkungen letztlich auch vom freiwilligen und nicht unbedingt vorhersehbaren Verhalten der Wertpapierkäufer und -verkäufer abhängen.


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5. Die Devisenpolitik

Neben dem An- und Verkauf von Devisen (ausländischer Währung) und der damit verbundenen Erhöhung bzw. Verringerung der Menge des vorhandenen Bargeldes betreibt die Bundesbank in geringem Umfange auch sogenannte Swapgeschäfte mit inländischen Geschäftsbanken. Dabei kauft die Bundesbank zum Tageskurs Devisen unter der Bedingung an, daß die Geschäftsbanken sie zu einem bestimmten Kurs an einem festgelegten Datum wieder zurückkaufen. Gestaltet die Bundesbank dabei die Rückkaufpreise günstig, sehen die Geschäftsbanken für sich in dem Swapgeschäft einen wirtschaftlichen Vorteil (da der Rückkaufpreis ihrer Ansicht nach unter dem zu erwartenden Tageskurs liegen wird) und sie verkaufen der Bundesbank die Devisen, woraufhin ihnen Zentralbankgeld zufließt, die Geldschöpfung also gefördert wird. Umgekehrt kann natürlich auch die Bundesbank Devisen an Geschäftsbanken verkaufen und sich den Rückkauf zu einem bestimmten Kurs und Datum zusichern lassen. Damit würde den Banken Liquidität entzogen und die Geldschöpfung gebremst.


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6. Die Konjunkturausgleichsrücklage

Durch Zustimmungsgesetz kann der Bundestag dem Bund und den Ländern die Pflicht auferlegen, unverzinsliche Guthaben bei der Bundesbank zu unterhalten. Dies dient dazu, eine möglicherweise stark wachsende Konjunktur vor der zusätzlichen Nachfrage durch die Staatshaushalte zu bewahren und somit das Wachstum der Geldmenge zu bremsen. In der aktuellen konjunkturellen Situation dürfte der Konjunkturausgleichsrücklage, die im übrigen im Grundgesetz (Art. 109 IV 2 Nr. 1) normiert ist, keine praktische Relevanz zukommen.


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7. Sonstige Aufgaben der Bundesbank

Neben den oben beschriebenen wirtschaftspolitischen Instrumenten und ihrer Funktion im internationalen Währungssystem sind der Bundesbank auch noch einige weitere Aufgaben übertragen worden. Diese gehören nicht zum im Bundesbankgesetz normierten Aufgabenkernbereich, so daß die Bundesbank bei ihrer Erfüllung nicht diesen ausgeprägten Grad der Weisungsunabhängigkeit genießt. Unter anderem - als Grenzfall zwischen währungssichernder Kernaufgabe und zusätzlich übertragener Funktion - wäre hier die Bankenaufsicht zu nennen, die die Bundesbank in Zusammenarbeit mit dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen ausübt. Darüber hinaus ist die Bundesbank Hausbank des Bundes und wirkt im Konjunkturrat, dem Finanzplanungsrat und dem relativ neu eingerichteten Wertpapierrat mit.


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V. Ausblick

Nachdem im Zuge der deutschen Einheit durch eine konsequente Reform dem Wachstum der Größe des Zentralbankrates gewissermaßen Einhalt geboten werden konnte, dürfte die Bundesbank auch in Zukunft ein effizient funktionierender Akteur der Wirtschaftspolitik bleiben. Allerdings wurde Ende 1992 der oben zitierten Grundgesetzbestimmung ein zweiter Satz hinzugefügt, der letztlich einen erheblichen Bedeutungswandel der Bundesbank eingeläutet haben dürfte:

        Ihre ]=der Bundesbank_ Aufgaben und Befugnisse können im
        Rahmen der Europäischen Union der Europäischen Zentralbank
        übertragen werden, die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel
        der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet.
       

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Diese Bestimmung ist natürlich untrennbar mit der Errichtung der Europäischen Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht verbunden. In ihrem Gefolge wird eine Europäische Zentralbank (EZB) errichtet werden (deren Sitz im übrigen bezeichnenderweise ebenfalls Frankfurt am Main sein wird), die von ihrem Aufgabenkreis und ihrer Funktionsweise der Deutschen Bundesbank ähneln wird. Was der Bundesbank der Zentralbankrat ist, wird für die Europäische Zentralbank der EZB-Rat sein. In ihm sitzen nicht die Direktoren der einzelnen Landeszentralbanken sondern die Präsidenten der nationalen Zentralbanken - gemeinsam mit den Mitgliedern des EZB-Direktoriums. Letzteres wird aus Präsident, Vizepräsident und vier weiteren Mitgliedern bestehen, die für acht Jahre von den Regierungschefs der Mitgliedsstaaten der EWU bestimmt werden. Und genauso, wie die Struktur der EZB der der Bundesbank ähneln wird, sind auch ihre Aufgaben an die der Deutschen Bundesbank angelehnt. So heißt es in Art. 2 des Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank, das dem Maastrichter Vertrag beigefügt ist, unter anderem:

        ]..._ ist es das vorrangige Ziel des ESZB, die Preisstabilität
        zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der
        Preisstabilität möglich ist,  unterstützt das ESZB die
        allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft ]..._
       

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Wie ihr Instrumentarium im einzelnen aussehen wird, ist noch nicht ganz klar. Auf jeden Fall wird sie sich auch der Mittel der Mindestreserve- und der Offenmarktpolitik bedienen können. Die Entwicklung weiterer volkswirtschaftlicher Instrumente und die generellen Erfolgsaussichten einer Europäischen Zentralbank in Hinblick auf die Vermeidung von Inflation werden von mehreren Faktoren abhängig sein. Zum Beispiel ist es entscheidend, wie die unterschiedlichen Zentralbank"kulturen" der Mitgliedsstaaten der EWU erfolgreich aufeinander abgestimmt werden können. Auch hängt viel von der Akzeptanz einer Europäischen Zentralbank durch die Teilnehmer des gemeinsamen Europäischen Marktes ab. In jedem Fall wird ihr eine bedeutende Rolle in der zukünftigen wirtschaftlichen Integration Europas zukommen - je nach Verlauf der Entwicklung eine positive oder eine negative.

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Verwendete Literatur:

 
Bartling, Hartwig / Luzius, Franz
Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 10. Auflage, München 1993
 
Markmann, Heinz / Kitsche, Adalbert
Unser Geld, Bonn / Gelsenkirchen 1992
 
Maunz, Theodor / Dürig, Günter / Herzog, Roman / Scholz, Rupert
Grundgesetz, Kommentar, Band III (Art. 38 - 91), Lieferungen 1-30, München 1993
 
Rudzio, Wolfgang
Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, 3. Auflage, Opladen 1991
 
Willke, Gerhard
Wirtschaft: Stabilisierungspolitik und Wirtschaftsordnung, Frankfurt am Main 1991


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